»Dieser hinreißend erzählte, facettenreiche Text (1827 erschienen), der den frühen Ruhm Heines wesentlich mitbegründete, knüpft an Kindheitserinnerungen des Dichters in der Heimat Düsseldorf an. Es ist die Stadt, die auch Wolfgang Schmitz vom Studium an der dortigen Akademie her vertraut ist. Vor allem: Schmitz hat erst jüngst mit seiner in Jahren gewachsenen ›Rheinwerk‹-Ausstellung ein zeichnerisches Niveau unter Beweis gestellt, das ihm die Aufmerksamkeit der Kenner sichert. Ein großzügig angelegtes Buch, bei dessen Architektur die durch zweiseitige Lithographien geprägten Litho-Sequenzen am Anfang und Schluß des Buches besonders auffallen.« (Aus dem Verlagsprospekt 1988)
Der Verleger über die Arbeit an dem Heine-Buch.
Die Idee, Wolfgang Schmitz mit Lithos zu dem schon lange geplanten ›Buch Le Grand‹ zu beauftragen, war zunächst vage, bekam aber besonderen Nachdruck, als ich von der Rheinwerk-Ausstellung des Künstlers (1987 in Nymwegen) erfuhr. Ihr Gegenstand: 163 Zeichnungen, das Thema Rhein von Duisburg bis Nymwegen umkreisend, ein in Jahren gewachsenes imponierendes Oeuvre, das in der Entwicklung von Wolfgang Schmitz eine kräftige Zäsur darstellt. Schmitz kennt den Niederrhein von früher Jugend, Düsseldorf von der Akademie her – und in der Geburtsstadt Heines spielt ja auch das ›Buch Le Grand‹.
Wir kannten uns seit 1984 und der Arbeit an dem Druck der Edition Tiessen ›Gert Hofmann: Die Rückkehr des verlorenen Jakob Michael Reinhold Lenz nach Riga‹. Schmitz war von dem neuen Textvorschlag begeistert, fand sich in eine Welt versetzt, die ihm durchaus nicht versperrt war. Wir einigten uns rasch darauf, daß es dieses Mal ›klassische‹ Lithographien sein sollten. Der Stein war Wolfgang Schmitz von früher her vertraut, die Zusammenarbeit mit einem Profi-Drucker – Manfred Hügelow in Frankfurt-Sachsenhausen reizte ihn zusätzlich.
Ich schlug eine Buch-Architektur vor, die in dieser Form für die Edition Tiessen neu ist und deswegen kurz beschrieben sei. Nach einem relativ kleinen, einstimmenden Einband-Litho beginnt die eigentliche Folge mit einer kräftigen Zeichnung auf dem Titel, die den jungen Erzähler (mit einem Freund) und die Hauptperson des Buches, einen französischen Tambour, darstellt. Es folgt eine sich über zwei volle Seiten erstreckende Rheinlandschaft – die Erinnerung an den Rhein, seinen Wein, den Johannisberg bildet einen Vorspann zum Text. Gleich auf der folgenden linken, dem Textbeginn gegenüberliegenden Seite, kommen wir zum Ausgangspunkt der eigentlichen Geschichte, dem Geburtshaus des Dichters in der Bolkerstraße zu Düsseldorf. Dieser kräftigen Eingangssequenz von drei Lithos folgt der Text, der von eher kleineren, halbseitigen Lithos durchschossen ist. Gegen Ende – Heine beschwört die Erinnerung an Aristophanes, Shakespeare, Goethe – folgt eine ähnlich angelegte Schlußsequenz: zunächst eine große Doppelseite mit einer Heine-Paraphrase nach dem Hamburger Denkmal, das Welttheater betrachtend. Das Thema wird auf den nächsten, letzten beiden Seiten fortgesetzt, begleitet von einem kurzen Absatz: ›Auf dieser großen Weltbühne geht es ganz wie auf unseren Lumpenbrettern … und im Himmel oben, im ersten Range, sitzen unterdessen die lieben Engelein …‹ – abermals ein umgesetztes Architektur-Zitat, im Düsseldorfer Hofgarten aufgegriffen.
So kann man das Buch in drei Teile gliedern: je eine großzügige dreiteilige Lithosequenz am Anfang und Schluß, von ihnen eingefaßt der eigentliche Text und die auf ihn reagierenden Lithographien.
Eines der beiden der Vorzugsausgabe beigegebenen Lithos stellt ein Doppelportrait dar, den jungen und den schon leicht von der Krankheit gezeichneten Heine.
Wolfgang Schmitz hat das Heine-Buch sehr intensiv beschäftigt. Er hat in vier Blöcken von zwei drei Tagen in der ruhigen Werkstatt Hügelow hier in Sachsenhausen gearbeitet, umgeben von ausgewählten früheren Zeichnungen, Skizzen nach der Lektüre, verschiedenen Studien in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg. Es war faszinierend mitzuerleben, wie hier – aus vielen Quellen schöpfend – ein neues geschlossenes Ganzes heranwuchs, sich dem Text immer mehr näherte und ihm zu einem Gefährten wurde, der das Erlebnis der Lektüre seitens Dritter – da bin ich ganz sicher! – aufs Eindringlichste verstärkt.
Hans van der Grinten über Wolfgang Schmitz.
Wolfgang Schmitz ist ein Zeichner von hochgradiger Impulsivität, für den das Erlebnis der gestalteten und gebauten menschlichen Umwelt ein unerschöpfliches Arbeitsfeld eröffnet. Sein umfängliches zeichnerisches und druckgraphisches Oeuvre speist sich seit Jahrzehnten aus der unmittelbaren Umsetzung dieses Erlebnisses in definitive bildnerische Form. Aber über den rein formalen Tatbestand seiner Arbeiten hinaus bedeutet seine Tätigkeit zugleich eine intensive Befasstheit mit dem historischen und ideellen Hintergrund der von ihm ins Blickfeld gezogenen Szenerie. Eine von ihm zeichnerisch interpretierte Stadt oder Region wird so intensiv begangen und befahren, daß neben den großen Akzenten eine Vielzahl von Details eingearbeitet wird, um die Dichte des Gesamtbildes zu erreichen, die dem Künstler bei der Erarbeitung eines Programmes vor dem inneren Auge erscheint …
Die Darstellung enthält sowohl Zonen subtiler Aufteilung als auch solche von energisch raffender Summierung. In den großen Zug der kompositorischen Ordnung sind unzählige Einzelmotive eingebettet, zuweilen angedeutet, dann wieder bis ins Kleinste präzisiert … Keine seiner Zeichnungen entschlüsselt ihre formale Gestalt auf den ersten Blick, von den thematischen und ideellen Bezügen ganz zu schweigen …
Gespräche und Literaturstudium haben Wolfgang Schmitz durchgehend mit Hinweisen und Orientierungen versehen, aber der Anstoß zum Bild heftet sich an die meisten historischen Orte und Situationen höchstens mittelbar. Dennoch ist das … Resultat alles andere als willkürlich … Die Gesamtheit der Resultate schließt sich zu einem Bezugsfeld zusammen, das vor allem gebildet wird aus dem Erlebnishorizont des Künstlers, der von den Stationen seiner wechselnden Aufenthalte aus das zu bearbeitende Gebiet kontinuierlich erforscht hat …
(Aus dem Katalogvorwort zu der Ausstellung ›Wolfgang Schmitz: Rheinwerk / Waalwerk; Zeichnungen 1984-1987‹. Nymwegen 1987) |