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Richard Hein: Die Entstehung eines Kunsthaus-Buchomat-Bändchens

Sie wollten schon immer wissen, wie ein Buchomat­-Büchlein entsteht?
Den Startschuss geben Künstler/in oder Autor/in. Sie haben eine Idee und wollen sie unbedingt veröffentlichen. In der 
Buchomat­-Reihe. Wenn im Kunsthaus Hinter den Zäunen, mehr oder weniger rasch, für ihr Werk genügend Begeisterung aufgekommen ist, gehts in die Diskussion. Wird es doch auf jeden­ fall ein Gemeinschaftswerk.
 
Unser Bändchen ist zwar klein und schmal, aber es hat Weite – wenn es aufgeschlagen wird. Es wird durchgestaltet von der ersten bis zur letzten Seite. Mancher Künstler, gescheitert an den unge­wöhnlichen formalen Bedingungen, musste schon im Vorfeld die Segel streichen. Wenn er jedoch erfolgreich die strengen Kriterien, die im Kunst­haus angelegt werden, erfüllt hat, dann geht es in die Herstellung.
 
Die Vorlagen werden entsprechend zubereitet um unseren Maschinenpark zu durchlaufen. Auf einer Multilith Offset der 50er Jahre wird der Inhalt, auf einer Korrex Andruckpresse, im Handbetrieb der Umschlag gedruckt. Die Ausstanzung, in penibelster Kleinarbeit selbst angefertigt, erfolgt auf einer Leipziger Kniehebelpresse. Genutet werden die zusammen getragenen Bogen auf einem Nutgerät der 20er Jahre. Mit einer kleinen, nervösen und lärmenden (Ohrenschützer unumgäng­lich) Heftmaschine wird jedes einzelne Heft ge­tuckert. Danach auf einer Ideal-Schneidemaschine, man beachte den passenden Namen, die noch etwas breiten Heftchen in kleinen Stapeln auf ihre endgültige Form gestutzt. Während dieser Arbeit ist eine Kommunikation nur in den Sekunden möglich, in denen das Messer zwischen den einzelnen Schnitten, technisch bedingt, eine Pause einlegt. Danach bekommt noch jedes einzelne Heft per Stempel seine ganz individuelle Nummer.
 
Gern sieht das Kunsthaus-Team, wenn der Künstler bei der Produktion selbst mit Hand anlegt. Der sieht das jedoch meistens anders. Doch es gibt Ausnahmen, die bereit sind für kürzeste Zeit, das Herstellungs-Team zu entlasten. Und einige Wenige kurbeln, drücken, ziehen, stapeln und quatschen sogar begeistert mit. Jedenfalls ist mit der Nummer unser Büchlein versandfertig. Zufriedenheit über das Endprodukt breitet sich aus bei allen Beteiligten.
 
Worin besteht nun der Erfolg dieser Reihe?Jedes Buchornat-Bändchen ist ein durchgestaltetes Objekt. Format, Technik, Papier, Gestaltung und Text alles bezieht sich aufeinander. Die Reihe zeigt eine offene Vielfalt. Es geht vom reinen Bildband über ein ausgeglichenes Verhältnis bis zum reinen Textband. Von Künstlern und Autoren der verschiedensten Richtungen. Ja, es ist auch ein haptisches Vergnügen, ein Buchomat-Bändchen in der Hand zu halten.
 
Das spricht für sich. Der Erfolg ließ uns zu der Einsicht kommen, das die Auflagen, die anfangs sehr schnell vergriffen waren, erhöht werden müssen. Um die Büchlein unter die Leute zu bringen, wenden wir modernste Vertriebsmethoden an. So wurde von unserer technischen Abteilung (im Keller) ein Automat erfunden und gebaut, der, nach Aufforderung seine Pforten öffnet, um jedes gewünschte Büchlein in Ihre Hände zu legen. Sollten sie ihn einmal bei uns nicht antreffen, so ist er gerade auf Reisen.
 
Und warum machen wir das alles?
Wir lieben wahrscheinlich die umständliche, lang­wierige Arbeit, wir haben zuviel Zeit, vermeiden jede Erleichterung, die uns eventuell rationellere und praktikablere Formen der Herstellung bieten würden.
 
So werden unsere Massenprodukte zwangsläufig unter unseren Händen leider nur zu Einzelstücken. Wir sparen Energie, die aus der Steckdose, nur nicht an unserer eigenen. Die gibts umsonst. Wir sind Idealisten, die sich einbilden, ihre Begeisterung für Dinge, die augenscheinlich keinen Zweck und keinen Nutzen haben, außer das sie sinn­liches und geistiges Vergnügen bereiten, auf andere übertragen zu können.
 
Wir lieben und verehren alte, erfahrene, Patina ansetzende Geräte mit langer Vergangenheit, die immer noch ihren Dienst tun und dabei nicht schneller arbeiten, als der Mensch der sie bedient. Warum machen sie das? Wer will das haben? Wer kauft das? Diese,von tiefer Einsicht in die Probleme unserer heutigen Welt zeugenden Fragen, gehören, nach unserem Erfolg, der Vergangenheit an. Wir ersparen ihnen Umwege. Wir ersparen ihnen Ressourcen. In jeder Beziehung. Jedes Buchomat-Büchlein kostet DM 10,–. Das spricht für sich!
 
(geschrieben ca. 1996)